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Spiegellandschaften

 

Mein Geburtsort Lohmen, ein kleines Dorf in Sachsen, ist Teil des Nationalparks "Sächsische Schweiz", einer felsigen Landschaft an der tschechischen Grenze, die von der Elbe durchschnitten wird. Mehr oder weniger wissentlich wanderte ich von frühester Kindheit an auf den Wegen, die einst Caspar David Friedrich beschritt. So finde ich auch heute das Meer der Nebelwolken, welches die Sandsteinfelsen in den frühen Morgenstunden umgibt, den kühlen Nebel und die feuchten, moosigen Steinwände, wandernde Lichtpunkte, die durch Baumkronen flitzen, Spinnennetze voller Tautropfen, den Geruch von Staub und Regen. Auf all meinen Wegen erkundet meine Hündin Isis dieses wundervolle Naturlabyrinth mit mir.

 

Während ich die Natur erforsche, suche ich stets nach etwas Neuem. Auch wenn ich immer wieder ähnliche Wege beschreite, sind die Eindrücke nie ganz gleich. Ein Archiv von Farbkompositionen und Lichtmustern öffnet sich dem sensiblen Betrachter. Wunderbare Strukturen von Pflanzen und Steinen, Wolkenbergen und die Dynamik des Wassers bieten einen unendlichen Schatz für Künstler und Naturliebhaber gleichermaßen. Aber die Landschaft hinterlässt nicht nur einen visuellen Eindruck. Sie erzeugt ein Gefühl, eine Stimmung, die mich berührt, mich anhalten und tief atmen lässt. Ich lausche in mich hinein und erkenne die Natur in mir. Die Landschaft wird zum Spiegel meiner selbst. Ich finde Zuflucht in der Melancholie des Abends, in der Spannung vor einem Gewitter oder in der sanften Ruhe eines Sees, der von der aufgehenden Sonne eines Sommermorgens erwärmt wird. Wie die verschiedenen Landschaften, die ich bereise, meine Gefühle widerspiegeln, so geben meine Landschaftsbilder Gefühlseindrücke im Leben wider.

 

Durch Hinzufügen von geometrischen Formen und Mustern erweitere ich die natürlichen Formationen. Wie farbige Glasscherben in einem Kaleidoskop verändern sie das gewohnte Sehverhalten und lassen den Blick des Betrachters wandern. Diese Störungen fügen der Schönheit von Landschaften ein fragiles Element hinzu. Sein und Vergehen, die Endlichkeit des Seins. All dies kann direkt in der Natur gefühlt werden. Wie in der Natur ist die Veränderung in uns eine konstante, wohl die zuverlässigste Tatsache im Leben.

 

Wie fliegende, scharfkantige Teile bewegen sich die farbigen Flächen durch den fast unberührten, oft menschenleeren Raum. In den Landschaften von Caspar David Friedrich verweist die Rückenansicht einer Figur auf uns und lädt uns ein, die Szene zu betreten. In meinen Bildern verhindern die Überlagerungen den Eindruck, sicher zu sein. Teile der Landschaften bleiben dem Auge des Betrachters verborgen und undurchsichtig.

© 2017 Regine Ludwig / erstellt mit Wix.com

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